Restaurant Riehmers – Die gute Stube in Kreuzberg

Kann Guy Kreuzberg? — fragten sich besorgt die meisten Stammgäste als bekannt wurde, dass Kordula und Emerson Obojes nach über sechs Jahren im Riehmers ins heimatliche Salzburg zurückkehren und Kerstin und Hartmut Guy das Traditionsrestaurant in der Hagelberger Straße übernehmen würden.

Und — noch wichtiger: Was würde aus den ans Herz gewachsenen Spezialitäten der k. u. k. Kronländer werden, aus dem Wiener Schnitzel, dem feinen Gulasch und dem genialen Beuschl?

Zu seinem offiziellen Amtsantritt als Kreuzberg-Wirt Ende August gab Hartmut Guy die Antwort. Beisl- Cuisine und Alpenland-Flair ade? Mitnichten. Als Beweis traten er und Frau Kerstin in original Tiroler Tracht auf. Da fehlte eigentlich nur noch der Kaiserwalzer. Geschenkt. Dafür ist das Türschild neu. Riehmers — endlich ohne Apostroph. Unterzeile: Die gute Stube in Kreuzberg.

„Ich kenne jemand beim ZDF — übrigens kenne ich fast immer irgendwo einen, ein nicht unattraktiver Zusatzeffekt, wenn man ein bekanntes und beliebtes Restaurant besitzt.“ Zitat Hartmut Guy in seinem Buch „Guygantisches Gourmet-Theater. Erlebnisberichte eines Gastronomen“, das Guy an einem lausigen Februarabend 2011 in Dussmanns Kulturkaufhaus vorstellte und das die absolute Wahrheit seiner Behauptung bestätigte.

Das ZDF fehlte zwar ebenso wie der regionale rbb, aber der hat mit der Gastronomie in Berlin und Brandenburg ohnehin nichts am Hut — doch sonst kam, wer konnte. Freunde, Bekannte, Kollegen, insgesamt bestimmt 250 Menschen. Sie hörten neben den vielen Geschichten aus dem bewegten Leben eines Schauspielers, der nach der Wende Gastronom wurde, auch Guys skeptischen Ausblick auf die Zukunft seines Restaurants am Gendarmenmarkt, ahnten aber sicher nicht, wie schnell dieser Ausblick von der Realität bestätigt werden sollte.

Anfang März 2011 musste Hartmut Guy nach 12 wechselvollen Jahren am schönsten Platz Europas Insolvenz anmelden. Sein Vermieter, ein internationaler Immobilienfonds, stellte unerfüllbare Mietforderungen.

Doch Glück im Unglück und wieder Einer, den er kannte — nur ein paar Monate später luden Guy und seine Frau Kerstin zur Eröffnung ihres neuen Restaurants nach Kreuzberg ein.

„Fang nie an aufzuhören, und hör nie auf anzufangen“, so beschließt der Wiener Moderator und Entertainer Peter Rapp sein kürzlich erschienenes Buch „Mein Versuch, niemals aufzugeben“. Ein Lebensmotto das auch von Hartmut Guy stammen könnte. „Ich bin von Natur aus ein Strampler“, sagt er. Das meint das Gleiche.

Da steht er nun, ein bisschen müde, aber alles im Blick — die Gäste, den Service, die offene Küche. Hier agiert David Adam, 29, der schon im Guy am Gendarmenmarkt am Herd war, mit der Sicherheit und Souveränität eines Mannes, der sein Handwerk beherscht und weiß, was er kann. Viel Deutschland und ein bisschen Österreich — eine kulinarische Reise von den Alpen bis zur See. Keine Gourmetküche mehr wie früher, aber intensive Aromen, kreative Arrangements, mutiges Würzen, klares Erscheinungsbild wie eh und je.

Für 29,90 Euro unschlagbar günstig offeriert Adam ein saisonales Menü. Die herbstliche Variante: Gerösteter Havelzander mit Schwarzwurzeln und sautiertem Kopfsalat; Gebratenes und Geschmortes vom Reh mit Pastinaken, Waldpilzen und Kartoffelknödel; Gebrannte Vanillecrème, Beeren und Pfirsicheis. Regionale Produkte, blitzsauber in Szene gesetzt.

Köstlich, weil harmonisch perfekt, auch die geschmorte Ochsenbacke mit Rahmwirsing, Urkarotten, Kartoffel- Meerrettich-Stampf und Liebstöckeljus für 18,90 Euro. Das ist zwar bodenständig, aber keinesfalls bieder und banal schon gar nicht. Das passt zum Ort und seinen Gästen.

Reserven gibt es bei den Desserts, aber das weiß David Adam, übrigens ein Spezialist auf diesem Gebiet, sicher selbst am besten. Auch das, was von der früheren Beisl-Küche den Betreiber-Wechsel überlebte, kann sich sehen und essen lassen. Wiener Schnitzel für 18,50 Euro, Backhendl für 8,50 Euro und Tafelspitz für 17,50 Euro kommen in einer Qualität auf den Tisch, dass selbst Exil-Österreicher nur mehr chauvinistisch-alpenländisch im eigenen Saft schmoren möchten.

Kein Wunder, dass der Laden brummt. Hartmut Guy ist in seinem Element. Er dirigiert gekonnt, inszeniert geschickt, improvisiert, wenn es nötig ist und parliert wortreich — Guy, der perfekte Gastgeber. Die ebenfalls perfekte Ergänzung: seine Frau, die die Geschäfte führt. „Wir sind angekommen“, sagt Hartmut Guy. Mehr nicht. „Angekommen.“

 

www.riehmers-restaurant.de

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